Serge und Maren hatten ihren Kindern bei ihrer Trennung erklärt (Serge
auf französisch, Maren auf deutsch), dass Papa und Mama nicht mehr zusammen
wohnen wollen, weil sie sich zu viel streiten. Dass sie trotzdem genau wie
vorher ihr Papa und ihre Mama bleiben würden, und sie beide sehr, sehr lieb haben.
Lea und Lola hatten still und andächtig zugehört (sie sassen in ihren hohen
Stühlen und waren gerade mit dem Frühstücken fertig), um dann sofort wieder,
wie gewöhnlich, mit ihren strammen Waden zu rudern, miteinander und vor sich
hin zu brabbeln, und in diesem Fall reziprok mit einer Knoblauchpresse und
einem Holzlöffel zu wedeln.
Wahrscheinlich, dachte Maren, konnte man sich mit anderthalb Jahren soundso
keine Vorstellung davon machen, was für Folgen diese Veränderung haben würde –
sie konnte es ja selbst kaum…
Im Grossen und Ganzen lief das Leben im „kleinen Haus“ jedenfalls
glücklich an. Lola und Lea hatten im Nu überall ihre Spielsachen verteilt, ihre
Bilderbücher aufgestapelt, und benahmen sich wahrhaftig, als seien sie schon immer
hier gewesen…
Paul ging bei Maren ein und aus. Er hatte einen Hausschlüssel,
reparierte die Waschmaschine sowie die Heizung, badete in der grossen, bequemen
Wanne mit Blick auf Baumwipfel, blieb auf Besuch.
Und Maren richtete sich und ihre kleinen Mädchen nach und nach ganz ein
und es wurde richtig schön.
Lola und Lea besuchten jetzt drei Mal in der Woche eine Kinderkrippe. An
den krippefreien Tagen versuchte Maren, weiterhin ganz für ihre Kinder da zu
sein. Wenn das Wetter es erlaubte, kundschaftete sie mit ihnen die Gegend aus.
Sie hatte in der Nähe einen Weg ausfindig gemacht, der einerseits gut
befahrbar für sie mit ihrem breiten Doppelkinderwagen, andererseits gänzlich
Autofrei war, rechts und links von Rasen ohne Zaun gerahmt. Dort liess sie ihre
kleinen Mädchen aus dem Kinderwagen klettern und herumlaufen. Maren traute sich
das wirklich bloss auf vollkommen sicheren Strecken, denn Lea und Lola
watschelten (und purzelten), sobald sie aus dem Wagen durften, einfach drauf
los, ohne nach links oder rechts zu schauen, und taub für alle Zurufe. Das lag
vermutlich an ihrer grenzenlosen Begeisterung über die ganz neue Entdeckung der
eigenständigen Fortbewegung.
Meist strebte eine in die eine, die andere in eine völlig andere
Richtung! Maren stand dann händeringend beim Kinderwagen und konnte nur hoffen,
dass ihre Töchter sich irgendwann zufällig wieder bei ihr einfinden würden.
Wenn nicht (was ehrlich gesagt meistens der Fall war), rannte sie eben hin und
her, um ihre kleinen Schafe wenigstens einigermassen beieinander zu halten, und
war erleichtert, wenn diese genug hatten und wieder in den Wagen wollten.
Manches Mal mussten sie in den Wagen zurück, BEVOR sie genug hatten, weil MAREN
genug hatte, und dann war das Geschrei gross, zumindest solange, bis etwas
Interessantes wie ein Hund oder Kinder auf Fahrrädern oder ein fescher
Lastwagen sie von ihrer Frustration ablenkte…
Am Wochenende, wenn Lola und Lea bei Serge waren, ging Maren gerne auf
den lokalen Markt, den sie leicht zu Fuss erreichen konnte. Es gab dort
leckeren Käse, frisches Brot, Obst und Gemüse, und sogar Pflanzen und Blumen
für ihren winzigen Garten. Maren liebte es, mitten unter Leuten zu sein, und in
aller Ruhe einzukaufen.
Das frische Obst und Gemüse dekorierte Marens kleine Küche die ganze
Woche, bis es nach und nach gegessen wurde. Ganz zu schweigen von den Pflanzen
und Blumen – die sie, ausser den Küchenkräutern, allerdings nicht ass.
Hinter ihrem Wohnviertel gab es unerwarteterweise sogar einen richtigen
Feldweg. Den konnte Maren nur alleine begehen, für den Kinderwagen war er zu
holprig, aber das war ihr ganz recht; den hob sie sich auf für ihre Spaziergänge alleine.
Waren die Mädchen nicht da und hatte sie genug vom Arbeiten oder vom
Leben im Allgemeinen, oder war ihr Kopf zu voll, ging sie los, selbst bei Wind
und Regen. Sie lief dann zügig, zwischen den weiten, sanft gewellten Feldern,
liess ihren Blick schweifen so weit er wollte, und ihren Geist gleich mit, bis
sie sich wieder gut und frei fühlte.
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