Samstag, 17. August 2013

LEA UND LOLA Ausserhalb der Chronologie


Weggelassen

Es ist schon eine Weile her, seitdem ich das letzte Mal über meine Töchter geschrieben habe, und weit bin ich auch noch nicht gekommen …
Ich möchte ja nicht unbedingt alles, was ich mit ihnen und durch sie erlebt habe, erzählen - das wäre auch unmöglich - aber ich habe was Wichtiges weggelassen…nämlich die schwerwiegend dunkle Seite meiner Anfänge als Mutter.

Also geh’ ich in der Chronologie meiner Beiträge einen Schritt zurück:


Nach der Geburt wieder zu Hause hatte ich in den ersten Wochen fast immer jemanden neben mir, der mir half – jede meiner Freundinnen hat bei uns übernachtet in der Zeit, sowie Serges Mutter. Dann hatten wir drei Monate lang ein Aupairmädchen, das eine Geschichte für sich wert wäre.
Als Asias Zeit abgelaufen war, reiste sie zurück nach Polen. Ich war gleichzeitig erleichtert und traurig, sie gehen zu sehen.

Einerseits: endlich alleine!
Aber auch: Hilfe, alleine mit den Babys!
Es gab zwar zum Glück seit Neuestem Kinderkrippe drei Mal die Woche, in der Lola und Lea sich wohl zu fühlen schienen, aber das bedeutete trotzdem, dass sie die allermeiste Zeit auf mich angewiesen waren. Und ich fühlte mich sehr unsicher. 
Wenn ich sie am späten Morgen in der Krippe abgeliefert hatte (ich war immer die Letzte – beim Bringen sowie beim Abholen), hiess es Einkaufen gehen, und alles, was sonst noch ausser Hauses geschehen musste, erledigen, sowie am Zeichentrickfilmprojekt weiterarbeiten, das damals anstand.

Ich war so entsetzlich müde, so unterschwellig erschöpft - die Geburt war lange und schwierig gewesen und ich stand in mancher Nacht vier Mal zum Stillen auf.
Man hätte glauben sollen, dass, je schwächer ich mich fühlte, je unsicherer und gestresster ich war, Serge desto unzugänglicher und ferner wurde. Oder war es umgekehrt?
Serge badete seine Töchter zwar immer noch ab und zu, gab ihnen oft ihren ersten Frühschoppen, aber dann war er weg und ich blieb zurück…

Ich fühlte mich sehr einsam. Auch mein freier Abend, auf den ich seit Neuestem jede Woche bestand, konnte mir nicht helfen – oft war ich dermassen erschöpft, wenn ich mich in mein Auto setzte, um mit einer meiner Freundinnen oder Freunde essen zu gehen oder sonst etwas zu unternehmen, dass ich am Liebsten die Augen geschlossen hätte und stumm und still dort sitzen geblieben wäre, bis in alle Ewigkeit. Statt dessen verausgabte ich mich nur noch ein wenig mehr, weil ich hoffte, es würde mir gut tun, an etwas anderes zu denken als an meinen Alltag, und das war sicherlich auch richtig, bloss war ich anderntags noch müder und hatte ein schlechtes Gewissen deswegen obendrein.

Der Winter kam und in der ganzen Kinderkrippe gingen Schnupfen, Husten, Bronchitis und was weiss ich alles um.
Mein Herz klopfte jeden Tag vor Angst, etwas falsch zu machen mit meinen Babys und auch vor der Anstrengung, die mich jedes Mal wieder erwartete, wenn ich sie in der Kinderkrippe abholte.
An manchen Tagen oder Nächten alpträumte ich verschwommen  davon, beide aus dem Fenster zu werfen und mich gleich hinterher, zum Beispiel wenn ich mich ausnahmsweise gerade etwas entspannt hatte, weil ich fest annahm, dass sie schliefen, und dann eine von beiden oder gar beide nach mir riefen.
Ich war mager geworden. Mein Haar fühlte sich wie Stroh an und war von grauen Strähnen durchzogen.

Ich hatte, das stand ausser Zweifel, die grössten Schwierigkeiten, mein Mutterdasein zu geniessen, (es war mir völlig unmöglich, um ganz ehrlich zu sein), ja, es auch nur zu akzeptieren. Die grössten Schwierigkeiten auch, mir zu vertrauen und mich zu organisieren – und das wurde mit der Zeit eher schlimmer als besser.

Etwas verband mich ganz stark mit meinen Töchtern, aber Liebe war es, glaube ich, noch nicht.

Dann Serge und ich.
Was war mit uns.
Ich war müde, todmüde, und merkte nichts. Vielleicht merkte ich aber auch alles und konnte es nicht verhindern. Vielleicht war ich auch deshalb nur immer noch erschöpfter, weil ich mich dagegen stemmte und gleichzeitig die sengende Glut mitschürte, die sich, unmerklich zuerst, dann immer stärker, zwischen uns entfachte.

Vielleicht war auch das, was uns verband, keine Liebe.

Vielleicht war auch Serge einfach unsicher und müde und dadurch immer weniger empfänglich für das Schöne und Gute. Vielleicht hatte auch er unausdenkbare Schwierigkeiten damit, Vater zu sein, wer weiss. Sagen tat er nichts. Sicher ist, dass er sich zu der Zeit mit finanziellen Problemen herumschlug. Und dass seine neue grosse Verantwortung deshalb vielleicht besonders schwer auf ihm lastete.

Wir redeten nicht mehr miteinander. Schliefen nicht mehr miteinander.
Anstatt unsere Kräfte ein wenig zu schonen, um sie für Besseres zu verwenden, vergeudeten wir das bisschen, das wir übrig hatten, in immer häufigen Streitereien.

Wie konnte so etwas passieren, Wir kannten und liebten uns seit Jahren und hatten beide gemeinsam Kinder bekommen wollen…

Ich jedenfalls muss mich dann irgendwann vollständig verloren haben.



2 Kommentare:

  1. Ach ja, ein schwieriger Lebensabschnitt - ich kam damit auch nicht zurecht. Einschneidend für den Rest meines Lebens und nicht nur, weil da ein neuer Mensch auf der Welt ist, der total von mir abhängig ist ....

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  2. Liebe Stefunny, schön, dass Du mich besuchst!
    Und - ja, es ist sogar so viele Jahre danach noch tröstlich, wenn eine andere Frau schlichtweg zugibt, dass auch sie nicht ohne Schwierigkeiten zurecht gekommen ist...

    Danke dafür & viele Grüsse,

    Jan

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