Freitag, 23. August 2013

Im Café (August 2013)


Es ist noch nicht zwölf Uhr mittags und die drei betagten Landfrauen, die ausser mir im Café in Genappe sitzen, bestellen jetzt ihren „Apéro“.
“Aaaah oui, quesssk’ tu veux!“ seufzen sie ergeben.
Sie sind nicht mehr die Jüngsten, um die 80 vermute ich, und – oh! Die eine hat ihren Portwein in einem Schwung runtergekippt! Einen leichten Ellebogen hat sie, sagt man hier (zum Heben des Glases), nun bekommt sie einen Salatteller vorgesetzt.
„Bon Appééétit, hein!“ wünschen ihr die zwei anderen, die jeweils eine „Ginette“, das lokale Weissbier, trinken.

Die Frisur der Bäuerinnen in Genappe und Umfeld ist uniform, eine struppige, glanzlose Kurzhaarfrisur in verschiedenen Brauntönen, heute vertreten: ein Mal Kastanienrot und zwei Mal Rehfarben (ein krankes Reh), im Alltag mit grauem Haaransatz, zu Festtagen ohne, sowie in kleine Löckchen gelegt.
Dies ist augenscheinlich kein Festtag – oder vielleicht sind die Löckchen nur für ganz grosse Festtage und dies ist ein kleiner, denn immerhin tragen sie alle Schmuck und geblümte Kleider (eine trägt eine helle Hose mit Bügelfalte, dafür eine geblümte Bluse), gespannt über ihre kartoffelförmigen Körper. Kartoffelform ist ein „Must“ bei den Damen im Dorf.
Naja, ich bin auch komisch, auf meine Weise, fast doppelt so gross wie sie, mit geringeltem T-shirt, die langen Haare zu einem (nach)lässigen Dutt hochgesteckt und trinke um Punkt zwölf meinen Frühstückskaffee, genauer gesagt meinen „Lait russe“, ein Kaffee mit viel Milch und Schaum obendrauf, dazu ein paar Graubrotscheiben…DIESE Frauen sind gewiss schon seit fünf Uhr auf, haben womöglich Kühe gemolken (falls man so was noch tut), Schweine und Hühner gefüttert, bevor sie sich hier her bewegt haben, Ruhestand hin oder her…
Es gefällt mir ja, dass auch Alteingesessene sich in diesem Café einfinden, das es noch nicht lange gibt (vorher war hier ein staubiger, dusterer Fahrradladen), einem hübschen, gemütlichen Ort, an dem man erkennt, dass im ländlichen Genappe seit einigen Jahren ein Umschwung stattfindet.

Jetzt wird Weisswein bestellt, und die mit dem vorwiegend türkisfarbenen Kleid rückt dieses energisch zurecht – ein schmaler Gürtel befindet sich zwischen Busen und Bauch, wenn ich das mit diskretem Blinzeln richtig sehe, sie schiebt ihren leeren Teller von sich, alle drei tragen beige Gesundheitsschuhe und fleischfarbene Strümpfe.

Ich höre zum Teil ihr Gespräch, sie klagen allgemein darüber, wie das Leben heute schlechter ist als früher und lästern über Bekannte, vor allem über andere Frauen. Über deren Faulheit: „MOI, je ne sais pas rester sans rien faire!“ behauptet die eine mit selbstbewusster Miene, und die zwei anderen stimmen ihr unbedingt zu.
Wenn ich ihnen nicht wurschtegal wäre, weil sie mich nicht kennen (obwohl ich seit zwanzig Jahren hier wohne), wäre ich das ideale Beispiel an frecher Faulheit für sie.
Jetzt haben sie Thema gewechselt, es geht darum, was man alles billig kochen kann (Suppe zum Beispiel). „Avant, on disait que pour donner du goût, faut pas trop saler, faut met’ du persillll.“
Die  Frau mit den türkisfarbenen Blumen schaufelt inzwischen an einem Rieseneis, ein Traktor fährt an der wegen des schönen Wetters geöffneten Türe vorbei mit schepperndem Anhänger, und ich geh’ jetzt einkaufen.



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