London in einem schicken Hotel.
Ich komme hinunter zum Frühstück.
Fühle mich etwas unsicher und einsam, bin es weder gewohnt, in schicken
Hotels zu sein, noch, in egal welcher Art von Hotel alleine zum Frühstück zu
gehen.
Wenn sich jetzt alle Blicke auf mich wenden, dann versinke ich im
Erdboden…
Es richten sich alle Blicke auf mich: der einzige Herr, der an einem
der kleinen runden Tische sitzt und Kaffee trinkt, sieht mich an, und sonst ist
keiner im Saal…
Da kommt ein Ober angerannt und setzt mich an ein Tischlein ganz in die
Nähe des Herrn. Ich kann ja nichts dafür. Ich hätte mich lieber weiter weg
gesetzt.
Der Herr ist Italiener. Erstens sieht er so aus, und zweitens kann ich
es hören, denn er holt jetzt ein tragbares Telefon hervor.
Er tut, als sei er ganz alleine.
Oder als sei er auf einer Bühne, und habe ein rauschendes Publikum. Was
er allerdings nicht weiss, ist, dass sein Publikum (ich) jedes Wort versteht
und also hört, dass sein Gespräch nicht gar so interessant und aufregend ist,
wie er mimt.
Er raucht und trinkt Espresso.
Die Marmelade, die Butter, die Croissants hat er so weit von sich
geschoben wie sein kleines Tischlein es erlaubt.
Ich von meiner Seite hätte ihn ehrlich gesagt auch ganz gerne als
Publikum benutzt, aber er eignet sich einfach deshalb nicht dafür, weil er mich
seit meiner Ankunft keines Blickes mehr gewürdigt hat.
Dafür scheine ich ihn als Publikum sehr zufrieden zu stellen: Er
schreit jetzt beinahe in sein Telefon vor Wichtigkeit, räkelt sich dabei
ausgiebig auf seinem Stuhl und hantiert kunstvoll mit seiner Zigarette rum.
Bis…
Bis er zufällig sieht, wie ich mich anschicke, eine Scheibe Käse, die
ich auf mein Brot gelegt habe, mit Marmelade zu bestreichen. Ihm bleibt fast
das Telefon im Hals stecken. Er starrt mich an, als sei ich ein prähistorisches
Monster.
Es ist mir natürlich sofort sehr peinlich. Hach, wie gerne würde ich
nur Kaffee trinken und rauchen, um ihn nicht zu beunruhigen! Wenn ich das
gewusst hätte! Nun ist es zu spät. Unsere ganze stille Harmonie ist dahin.
Ich öffne mit zitternden Händen ein kleines Honigglas, um einen Löffel
davon in meinen Tee zu tauchen – da setzt er sich steif und aufrecht auf seinen
Stuhl – ich lege verstört mein Löffelchen zurück – es ist aus zwischen uns, ich
bin entschieden zu weit gegangen, das hätte ich nicht tun dürfen, jetzt bin ich
nicht mal mehr sein Publikum und kann mich nur noch schämen und mein Frühstück
hat’s mir auch verleidet…
(Aus Zeiten, als tragbare Telefone eine Seltenheit und rauchen in
Frühstücksräumen normal war…)
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