Freitag, 12. April 2013

Lea un Lola (Aus: "Darüber spricht man nicht")



                LEA UND LOLA


                             SCHWANGERSCHAFT

                                      Zweiter Teil


Für eine Woche ganz alleine bin ich aufs winterliche Cap Gris Nez gefahren…
Nun, ganz alleine stimmt ja eben nicht, hab’ meinen Bauch dabei…
In einer ziemlich leeren Familienpension mit dafür besonders aufmerksamer (ich habe nicht gesagt: netter!) „Patronne“.


Ich dachte, ich würde hier draussen am Meer in dieser Woche all das, was ich in den letzten Monaten geschrieben habe, in meinen Computer eintippen und ausdrucken. Ordnung in mein Manuskript schaffen. Mit Konzentration mich mit den Korrekturen befassen, alles auf die Reihe bringen, vor dem neuen Lebensabschnitt…
Hab’ aber gleich am ersten Abend hier in meinem kleinen Zimmer ein augenscheinlich radikal falsches Manöver geleistet, und mein Computer hat mir gesagt: ohne mich. Ausser an und ausschalten kann ich nichts mehr mit ihm anfangen. Ich war riesig wütend und enttäuscht - ausser der ersten Korrektur auf Papier kann ich also nix machen…dabei ist es sterbenslangweilig hier…
Was hab’ ich mir bloss mal wieder vorgestellt? Erträumt, wie toll das hier sein würde?! Bis Serge mich am Wochenende besucht, sind es noch ganze vier Tage…
Was soll ich jetzt bloss machen?

Ich dachte auch, ich würde vorläufig nichts Neues mehr schreiben weil ich spüre, dass es zu anstrengend wird – ich komme schon so nicht zurecht, und dann diese überaus verwirrende und oft quälende Schreiberei. Ich brauche meine Kraft jetzt für Anderes.

…vielleicht ist diese Panne ja bloss passiert, damit ich doch noch ein bisschen weiterschreibe? Hab’ ja auch mein Schreibheft dabei – wozu habe ich es sonst eingesteckt? Damit mein Kulli drüberfliegt, wie jetzt, in eiligen, fast unleserlichen Zeilen…
Wieso wollte ich eigentlich aufhören mit Weiterschreiben bis zur Geburt, bevor ich nicht DAS aufgeschrieben habe, was ich jetzt sofort erzählen werde?

Hier kommt’s:
Ich erwarte nämlich ZWILLINGE.
So.
Ja.

Knappe vier Monate wachsen die zwei in meinem schon dicken Bauch.
Vor einem Monat haben wir sie bei der Echographie gesehen. Und so unwirklich es mir damals schien, dass dieses doppelte Gepurzelbäume und Herumschwimmen in MEINEM Bauch statt fand, so beruhigt war ich, zu sehen, das jedes Baby einen Kopf, eine Wirbelsäule, zwei Arme, Beine, Füsse, Hände, einen Magen, ein Herz, eine Lunge und ein Gehirn hat. Man konnte sogar schon die winzigen Knochen ihrer Händchen sehen! Hallo ihr!
Erst einmal haben Serge und ich (leicht hysterisch) fünf Minuten lang gelacht, als sofort beim ersten Blick auf den Bildschirm klar wurde, dass gleich zwei Babys in meinem Bauch wohnen.

Ihr habt eine ziemlich übergeschnappte Mutter ausgewählt, aber bisher scheint euch das nicht weiter zu stören (was mich ebenfalls SEHR beruhigt). Meine Gynäkologin sagte vorgestern, als sie meine Gebärmutter mass: “Die sind ja schon riesengross für ihr Alter!“
Und ich habe eure beiden Herzen klopfen hören, ein leichter, schneller, regelmässiger Galopp, einmal links in meinem Bauch, einmal rechts, deutlich zu vernehmen durch einen kleinen Apparat.


Leider bin ich trotzdem nicht so, wie ich dachte, dass ich sein müsste.
Das ist vielleicht der Grund, weshalb ich gar nichts mehr schreiben wollte…weil ich mich so schuldig fühle, IMMER noch nicht vor Glück und Seeligkeit zu strahlen. Ich habe so oft gehört und gelesen, dass Schwangerschaft etwas Wundervolles ist. Dass manche Frauen nie so glücklich und zufrieden sind wie in den Monaten, während derer sie ein Kind erwarten. Und ich selber finde auch nichts deprimierender anzuschauen als eine schwangere Frau mit griesgrämigem Gesicht und Ringen unter den Augen.

Aber mir macht Schwangersein keinen Spass. Ich gebe es jetzt einfach zu.

Es gibt wohl Augenblicke (vor allem seit mir nicht mehr ständig kotzübel ist – wenn es auch immer noch viele Gerüche gibt, die mir den Magen umdrehen), in denen ich mir dessen bewusst bin, wie unglaublich die Tatsache an sich ist, dass ein (oder gar mehrere!) Kind(er) im Bauch einer Frau wächst/wachsen. Das Natürlichste auf dieser Welt, sicherlich, aber nicht desto weniger grossartig und erstaunlich…
Das macht das Ganze jedoch für mich nicht angenehmer – und ich habe grosse Angst vor den letzten Monaten – im sechsten Monat werde ich schon so dick sein wie eine Frau mit einem einzigen Baby im neunten Monat! Nicht auszudenken, wie es danach sein wird!! Bis dahin können ausserdem noch die entsetzlichsten Dinge passieren – meine Güte!
Immerhin hebe ich mir die Angst vor der Geburt und vor meinem Körper danach für später auf – das ist schon mal was wert.
Trotzdem.
Von einer glücksstrotzenden zukünftigen Mutter kann keine Rede sein; ich bin immer noch die meiste Zeit befremdet und traurig und besorgt.
Ich hatte vor EINEM Kind schon solche Angst, und jetzt gleich zwei!!
Das Leben ist
eigenartig.
Nie ist etwas so, wie ich es mir vorgestellt habe…


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