Donnerstag, 18. April 2013

"Die Kunst des Liebens"


Über die Kunst des Liebens und was Erich Fromm dazu sagte:



„L`indépendance fut toujours mon désir et la dépendance ma destinée » schrieb Alfred de Vigny, von dem ich nur weiß, dass er ein längst verstorbener französischer Schriftsteller ist, und ich übersetze frei: 
« Unabhängigkeit war immer mein Wunsch, Abhängigkeit mein Schicksal ».
Vielleicht geht es uns allen so. Mehr oder weniger. Was mich betrifft, in diesem Fall, lieber weniger als mehr.

„Die Kunst des Liebens“ von Erich Fromm, da geht es unbedingt um Unabhängigkeit, innere Freiheit, und natürlich Liebe.
Zu Anfang war ich enttäuscht, etwas genervt – das Buch hat mir vor zwanzig Jahren, als ich es zum ersten Mal gelesen habe, so viel gegeben! Eine Art Bibel schien es mir damals - naja, dabei ist es bloß ein ganz dünnes Buch, und wenn es auch nicht von gestern stammt, sondern aus den fünfziger Jahren und immerhin aus dem vorigen Jahrhundert, ist es nicht uralt -  Bibel trotzdem, weil eigentlich so ziemlich alles drin steht, was ein Mensch braucht, falls er ein Leben voller Liebe zu führen gedenkt…daher ja der Titel…und die von mir in meiner Erinnerung angedichtete bibelhafte Frömmigkeit stammt womöglich einfach vom Namen des Autors…


Obwohl…das ist es ja gerade…diesmal fand ich nämlich, dass Fromms Art, über Menschen zu schreiben, die in der Liebe (und auch sonst) „irren“, umherirren, nicht gerade von der von ihm so hoch bewerteten Nächstenliebe gekennzeichnet war…eher (ehrlich gesagt) von etwas prüdem Frust.
Vielleicht sehe ich das bloß so, weil ich womöglich selber auf so ’nem Irrweg bin…das kann sein…aber das nimmt nicht hinweg, dass es die starken Gefühle, die Verliebtheit genannt werden, und die, wie nicht nur er weiß, nicht anhalten, nun mal GIBT, ob man will oder nicht, ob man dafür ist oder dagegen. Sie als eine Art Irrtum abzutun, finde ich seltsam; und sind sie nicht außerdem oft der Anfang, der Auslöser, der einen Menschen dazu treibt, die ganze Arbeit, die die Kunst des Liebens verlangt, zu beginnen?
Und was sagt Ihr zu Folgendem:
Wie, Fromms Meinung nach, sucht der Mensch sich seinen Partner für die erotische Liebe aus? Er meint, es sei im Prinzip egal, wen wir lieben, bzw. wenn wir nicht alle Menschen lieben, sind wir nicht zur Liebe fähig. Ja schon – das ist sehr vernünftig – mais quand même! Aus Erfahrung scheint mir, dass Vernunft und körperliches Verlangen schlecht zusammenpassen – oder zumindest, dass körperliches Verlangen mit Vernunft nichts zu tun hat. Und erotische Liebe ohne körperliches Verlangen… eine komplizierte Angelegenheit ist.
So weit zur Kritik. Ach ja, und dann auch, dass er sagt: die heutige Gesellschaft (wobei unglaublich ist, wie er 1956, vor einem halben Jahrhundert, schon sah, wo das alles hinführt, und es ist ja wohl leider, bis jetzt zumindest, kein Einhalt, lieber Herr Fromm) – also, die heutige Gesellschaft lässt nicht viel Platz für die Liebe – zumindest für Liebe, die als Kunst bezeichnet werden kann. Damit bin ich einverstanden – aber: man sollte meinen, er wisse von einer Epoche, wo das NICHT so war. WANN war das denn? Hat es nicht immer Menschen gegeben, die sich mit diesen Dingen befasst haben, aber vor allem immer viel mehr Menschen, die dazu nicht in der Lage waren, weil das Leben ihnen wahrhaftig keinen Platz dafür ließ – oder die mit alledem nichts zu tun haben wollten, gar nicht die geringste Lust dazu verspürten, sich über solche Themen Gedanken zu machen – weil die Kunst des Liebens eine hauptsächlich ernste Angelegenheit ist, die viel Einsatz und Zeit verlangt?

Voilà. Ansonsten ist es ein Buch, das ich wieder lesen werde; was er schreibt über den Menschen in der Konsumgesellschaft, wie sehr der moderne Mensch sich selbst, seinen Mitmenschen und der Natur entfremdet lebt, damit bin ich, leider, vollkommen einverstanden, „(…) die nie zu einer Beziehung von Personsmitte zu Personsmitte gelangen, sondern sich lediglich höflich behandeln (…)“ (S.100).

Den letzten Teil – die Praxis der Liebe (ab S.119) finde ich so gut und wichtig, dass ich ihn immer mal wieder lesen werde (also doch ein bisschen wie eine Bibel).
Er macht darauf aufmerksam, dass die Kunst des Liebens dasselbe verlangt wie jede andere Kunst: Disziplin, Konzentration, Geduld.
Ich für mich persönlich füge hinzu: und Mut. Nicht, dass er nie über Mut spricht, aber für ihn gehört er nicht zu den Hauptpfeilern der Kunst des Liebens. Für mich schon, vielleicht zeigt das nur, wie feige ich bin – sei’ s drum.
Und Kreativität. Und Humor.
Aber gut, ER sagt: Disziplin, Konzentration, Geduld.
Nicht sehr romantisch, aber davon mal abgesehen:
Damit lässt sich was anfangen.
Ein lebensfüllendes Programm. Ich jedenfalls bin weit davon entfernt, auch nur eine dieser Eigenschaften weitgehend zu verkörpern. Was mich tröstet, ist: alle drei mehr als vor zehn Jahren.
Wenn ich lange genug lebe, werde ich vielleicht ein wahrhaft liebendes altes Großmütterchen…

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