Donnerstag, 16. Mai 2013

FABIAN (SchriftstellerInnen und Bücher)


FABIAN

Als ich vor ein paar Monaten überlegte, was ich denn auf meinen Blog tun möchte, dachte ich, ja, manche Bücher und was ich an ihnen habe und Schriftsteller – über die soll was drauf, denn Lesen ist mein halbes Leben, oder mein viertel jedenfalls.

Hab’ mir damals eine kleine Liste gemacht und da war „Fabian“ dabei, den ich zum ersten Mal Mitte zwanzig gelesen habe, und mehrmals seitdem. Hatte sogar schon einen Text angefangen, als ich ihm zwei Mal auf anderen Blogs begegnet bin – auf „Monalisasblog“ und etwas später auf „Allesmitlinks“ - da dachte ich: will ich meine ganz eigenen Empfindungen beschreiben, muss ich ihn sofort selber nochmal lesen.

Diesmal habe ich die Geschichte wie mit mehr Abstand in mir aufgenommen.
In jedem Fall finde ich nach wie vor, dass Kästner ausgezeichnet schrieb, und das Buch sicherlich sehr gut den Zeitgeist, die Atmosphäre von Berlin, die wirtschaftliche Lage und die sozialen Umstände zwischen den zwei Weltkriegen wiedergibt.
Mein Exemplar stammt aus einer Auflage von 1989 (Erstauflage 1931!) mit einem Vorwort von Kästner und zwei Teilen, die in der ersten Auflage nicht mit rein durften...Versteh’ nicht recht, weshalb, zumal das Stück, wo Fabians Chef ihm und seinem Kollegen seinen dicken Bauch mit schlecht verheilender Blinddarmoperationsnarbe zeigt, begreiflich macht, weshalb Fabian kurz darauf aus der Firma fliegt, ansonsten bleibt das nämlich ein wenig nebulös…

Und ich dachte: Fabian ist eine Art James Bond – also, wenn James Bond Germanistik  studiert hätte.
Jakob Fabian war nämlich: Wohlerzogen, humorvoll, unergründlich zurückhaltend, höflich, schreckte jedoch vor keinem Faustschlag zurück wenn’s um Gerechtigkeit ging, und die Frauen schmolzen nur so dahin – also, eine Art James Bond – wär’ da nicht die Tatsache, dass er ungewöhnlich stark an seiner Mutter hing. (Aber wer weiss, weshalb die verschiedenen J.B.’s so geheimnisvoll und gleichzeitig hartgesotten sind und waren!) – Also gut, Fabian hing sehr an seiner Mutter. Die krank war, und um die er sich grosse Sorgen machte während seiner Kindheit. Er und sein Vater hingegen hatten überhaupt keinen Kontakt. Obwohl sein Vater lebt – und das mit seiner Mutter.
Nun, heutzutage kann ich nicht umhin, einen Teil von Fabians Depression (jawohl, ich glaube, Fabian war depressiv) darauf zurückzuführen – und auch sein verqueres Verhältnis zu Frauen – denn: quand même! – er ist ja dauernd in irgendwelchen schrägen Kaschemmen und sein sexuelles sowie sein Liebesleben spielt sich nur mit Frauen ab, die er an solchen Orten kennenlernt.
Nun – ganz klar – die Zeiten waren besonders wirr, Fabian hat vom ersten Weltkrieg ein Herzleiden, ein konkretes – und ein symbolisches – aaah, so ein sympathischer junger Mann – so ehrlich, anständig, hilft immer und immer den Schwächeren – was ihn zum Schluss das Leben kostet – und ist mutig in Wort und Tat, sobald jemand etwas Böses vor hat, und dann dieser riesige Schmerz, den er mit sich herum trägt, und dennoch ist er gleichzeitig frei, eine Freiheit innendrin, die ihm sozusagen angeboren ist...

Heute, mit 50 Jahren, denke ich auch: Vernunft und Anstand sind Fabians Credo, aber er ist in Wirklichkeit voller Wut und Verzweiflung – nun, er ist noch jung (gerade über 30), lebt in miserablen Zeiten. Er ist radikal – mit seiner Umwelt, mit sich.
Eine Art Jesus auch - allerdings ohne Wiederauferstehung und mit Sexleben - der mit 33 stirbt. (Wer hätte gedacht, dass Jesus Christus und James Bond Gemeinsamkeiten haben?)
Was wär’ wohl aus Fabian geworden, wäre er nicht ertrunken? Vielleicht ein zynischer Alkoholiker, der mit fünfzig immer noch mit seiner Mutter lebt (und seinen Vater ignoriert) (und heimlich ins Bordell geht), wenn nicht der zweite Weltkrieg ihn vollends fertig gemacht hätte…oder aber - auch das wäre natürlich möglich gewesen - er hätte auch den zweiten Weltkrieg überlebt (wie sein Alterego Kästner) und hätte noch jede Menge erlebt und geleistet danach (dito). Hatte Kästner nicht auch was mit seiner Mutter? Verstehen Sie mich nicht falsch – rein virtuell natürlich – so, jetzt aber ernsthaft: in einem der Kinderbücher (Emil und die Detektive?) ist der Junge doch auch ganz eng mit seiner Mama verbunden, wenn ich mich recht erinnere…

Kästners Schreibart erinnert mich ein wenig, oder sogar ziemlich, an die von Tucholsky, jedenfalls in ihren „leichteren“ Büchern wie zum Beispiel „Schloss Gripsholm“ (Tucholsky) oder „drei Männer im Schnee“ von Kästner.
Wobei „Fabian“, der ursprünglich „Der Gang vor die Hunde“ heissen sollte, alles andere als ein leichtes Buch ist.
Eigentlich hab’ ich keine besondere Vorliebe für Satiren, aber in manchen Fällen ja anscheinend doch.

Nun also. Fabian zählte viele viele Jahre zu meinen unbedingten Lieblingsbüchern in deutscher Sprache, ich habe ihn wie gesagt mehrmals gelesen, jedes Mal anders, und diesmal hat sich etwas in meiner Sicht grundlegend verändert – vielleicht, weil ich jetzt wirklich zu alt (und nicht mehr deprimiert genug?) bin, um mich zum Teil mit ihm, zum Teil mit einer ihn liebenden (und rettenden!) Frau identifizieren zu können?

Daran muss ich mich erst mal gewöhnen.

Lieben tu’ ich das Buch, wenn auch anders, trotzdem und weiterhin – unter Anderem und nicht zuletzt wegen seiner erstaunlichen Aktualität.

2 Kommentare:

  1. Mein Bruder heisst Fabian... und zwar, wegen oder durch dieses Buch.

    Meine Mama hatte es gelesen und immer wieder erzählt sie davon.

    Und durch Deinen Blogpost hier glaub ich, dass ich das jetzt wirklich auch mal tun muss - Kästner ist sowieso einer meiner Lieblingsautoren... kann also nur gut sein !

    LG
    boelleli

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  2. Ich glaube einfach, dass es ein wichtiges Buch ist...aber das ist rein persönlich (obwohl, nicht ganz: Deine Mutter und ich haben dieses gemeinsam, und sicher noch viele andere!).
    Ich bin gespannt, zu lesen, was Du von "Fabian" hältst...
    Liebe Grüsse,
    Jan

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